Rund 70% aller Westpreußen flohen nach polnischen Schätzungen vor der
anrückenden Roten Armee, als die Kämpfe im Januar 1945 auf
westpreußischen Boden übergriffen und bis zum Fall von Danzig im März
1945 auf beiden Seiten außerordentlich hart und verlustreich geführt
wurden. Nicht selten wurden westpreußische Trecks noch in Pommern von
der vorwärtsstürmenden Roten Armee eingeholt und mussten notgedrungen
umkehren, während vielen anderen Flüchtlingen die Flucht, vorrangig nach
Mecklenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, oder auch per Schiff
nach Dänemark gelang. Sie retteten damit zumindest ihr Leben und Teile
ihrer beweglichen Habe, während Ungezählte auf der Flucht starben oder
getötet wurden.
Wem die Flucht nicht gelang, aber auch den
Westpreußen, die in der alten Heimat unter allen Umständen verbleiben
wollten bzw. durch äußere Umstände an der Flucht gehindert wurden, fiel
ein schweres Schicksal zu. Zu Zehntausenden wurden sie ohne Urteil in
den verschiedensten polnischen und sowjetischen Arbeits- und Straflagern
inhaftiert, der westpreußische Ortsname "Potulitz" erlangte hierbei
traurige Berühmtheit, und mussten Zwangsarbeiten bei unwürdiger
Behandlung und schlechter Ernährung verrichten. 1945/46 fanden im
nunmehr polnisch gewordenen Westpreußen "wilde" und später auch
"organisierte" Vertreibungen der restdeutschen Bevölkerung statt. Ihnen
folgte ab Ende der 40er Jahre eine Jahrzehnte anhaltende Welle von
sogenannten "Spätaussiedlern", welche sich mit der fortdauernden
Diskriminierung als Deutsche und den für Deutsche wie Polen
gleichermaßen schlechten sozialen Lebensbedingungen im kommunistischen
Polen nicht abfinden wollten. Für alle diese Westpreußen wurde mit dem
Jahr 1945 "die Heimat zur Fremde", welche ihnen ungeachtet allen
erlittenen Kummers unvergesslich blieb und bleiben wird.
Über das
Schicksal dieser deutschen Flüchtlinge, der Vertriebenen und
Spätaussiedler, der Lagerhäftlinge in polnischen und sowjetischen Lagern
und derjenigen gebürtigen Westpreußen die heute noch als polnische
Staatsbürger in der Republik Polen leben, berichten 35 Zeitzeugen aus
Westpreußen in diesem Buch. Drei wissenschaftliche Aufsätze zum
militärischen Ablauf der Kämpfe um Westpreußen 1945 (Dr. Jürgen W.
Schmidt), zur sowjetischen und alliierten Sicht auf die Prozesse von
Flucht und Vertreibung der Deutschen (PD Dr. Lutz Oberdörfer) und zur
vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Politik der deutschen
Vertriebenenorganisationen (Prof. Dr. Matthias Stickler), speziell des
BdV, leiten das Buch ein und eine kommentierte Auswahlbiographie zum
Thema "Flucht und Vertreibung" schließt es ab.