Die Umerziehung der Vögel: Ein Malerleben von Hans H. Grimmling

Artikel-Nr.: 9783898125437
24,90

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Die Umerziehung der Vögel: Ein Malerleben  von Hans H. Grimmling, Doris Liebermann 

Lesung am 2. November 2011 um 19.00 Uhr in der Buchhandlung89.

Moderiert von Vera Lengsfeld

Eine Veranstaltung mit Unterstützung der Europäischen Kommission für Menschenrechte e.V.

 



Michael Zajons, Tagesspiegel, April 1, 2008 Zum Glück viel mehr als die üblichen Künstler-Befindlichkeiten und Eitelkeiten. "Die Umerziehung der Vögel" repräsentiert ein Stück deutsch-deutsche Zeitgeschichte.

 

Bernd Heimberger literaturmarkt.info, März 17, 2008 Was im hauptsächlichen Teil des Buches über die bedrängende DDR gesagt wird, das ist gründlich Durchdachtes. Das macht die Grimmling-Biographie, in ihrer Dichte, zu einer differenzierten DDR-Biographie. Die wird für das Schreiben der wirklichen DDR-Geschichte noch gebraucht!

 

Von Uta Baier Rubens auf Friedenswacht Der Maler Hans-Hendrik Grimmling zeichnet in seiner Autobiografie ein ungeschminktes Bild vom Künstlerdasein in der DDR Gleich nach dem Mauerfall begann das Warten auf den ultimativen DDR-Abrechnungsroman.

 

 

 

Die Ungeduld war groß, so als hätten die Autoren ihn längst in der Schublade und müssten nur noch einige Leerstellen mit den genauen Daten und Zahlen füllen. Natürlich kam er nicht. Deshalb wurde manch kleine Geschichte gierig als Generalabrechnung gelesen und blieb doch nicht mehr als eine kleine Geschichte. Dann kam das Kino mit seinen Komödien, dann "Das Leben der Anderen" und es schien, als sei von der Literatur nichts wirklich Großes über das System DDR zu erwarten. Vielleicht auch, weil die, die am meisten unter dem Regime gelitten hatten, beizeiten weggegangen waren und längst geschrieben hatten, was zu schreiben war. In diesem Frühjahr nun - fast 20 Jahre nach der Wende - sind mehrere neue Erinnerungsbücher erschienen. Sehr persönliche, meist biografische, und es scheint, als werde durch sie mehr Wahrheit, mehr Differenzierung und Stimmung geboten als in der ganzen Literatur der direkten Nachwendezeit. Auch, weil die neuen Bücher, etwa das der Malerin Cornelia Schleime, des Schauspielers Winfried Glatzeder und der Schriftstellerin Irina Liebmann, gerade nicht versuchen, ein allgemeines Bild mit Hilfe einer erfundenen Geschichte zu zeichnen, sondern ganz persönliche Erinnerungen erzählen.

 

Solche hat auch der Maler Hans-Hendrik Grimmling zusammen mit der Journalistin Doris Liebermann geschrieben. "Die Umerziehung der Vögel" ist eine Künstlerbiografie von den frühen Erinnerungen eines sächsischen Jungen, der zeitweise im Kinderheim aufwuchs, über Zeichenkurse und die Armee (wo er wahlweise Rubens oder Picasso genannt wurde), das Studium in Leipzig bei Wolfgang Mattheuer bis zum Leben in West-Berlin, das einige Jahre nach seiner Ausreise aus der DDR wieder Berlin hieß und auch all die in die Stadt spülte, vor denen Grimmling einst Reißaus genommen hatte. Ganz sicher ist diese Biografie nicht repräsentativ und ebenso sicher erzählt sie von einigen Besäufnissen zu viel, um das Klischee hoher Literatur zu erfüllen. Doch sie ist ein hervorragendes Stimmungsbuch, das in seiner ganzen Naivität und dem Unspektakulär-Beschaulichen auf dem engen Raum zwischen Zwenkau, der Heimatstadt und dem Sehnsuchts-, Studien- und Lebensort Leipzig viel mehr von den Perversionen eines Systems erzählt, als jede faktenreiche Abhandlung.

 

Denn in Grimmlings Biografie spiegelt sich die nun DDR mit all ihren Vorteilen und Gemeinheiten, ihren Nischen und Freiräumen, ihren Verführungen und Abhängigkeiten. Um Anerkennung im System bemüht, wurde auch Grimmling nicht nur Künstlerverbandsmitglied (die Voraussetzung, überhaupt als Künstler arbeiten zu können), sondern auch Leipziger Verbandsfunktionär. "Den Verbandsmitgliedern stand ein ausgeklügeltes Auftragssystem zur Verfügung, das durch volkseigene Betriebe gefördert wurde und durch sie, vor allem aber durch den Verband Bildender Künstler, kontrolliert und manipuliert wurde.

 

Es war der Versuch, der Gedanken eines Künstlers habhaft zu werden." Und weiter: "Aus der heutigen Sicht war die Verbandmitgliedschaft eine Infizierung, ein Krankheitszustand, der zur Folge hatte, dass man als Opportunist durch dieses Leben schaukelte. Mitglied zu sein, bedeutete soziale Sicherheit. (...) Immerhin, auch ich und mein Freundeskreis partizipierten an diesem System und fanden es sogar verträglich, lukrative Aufträge anzunehmen. Was dagegen in den Ateliers entstand, war das Andere", schreibt Grimmling. Selten hat jemand so ehrlich über den Zwiespalt, als Künstler in der DDR arbeiten und Geld verdienen zu können und sich seine Kunst doch nicht vorschreiben zu lassen, geschrieben. Das böse Wort vom Auftragskünstler, das so gern gegen die Ost-Künstler verwendet wurde, bekommt hier seine wirkliche Bedeutung zurück.

 

Erst 1984, mit der Eröffnung der legendären Ausstellung "Leipziger Herbstsalon", den die sechs Künstler-Organisatoren - Günter Huniat, Lutz Dammbeck, Günter Firit, Frieder Heinze, Olaf Wegewitz und Hans-Hendrik Grimmling - selbstbewusst "1. Leipziger Herbstsalon" nannten, war Grimmling klar, dass es nicht nur keinen zweiten geben würde, sondern dass er das Land, das ihn in seinen Stasi-Akten zum "negativen bildenden Künstler" gestempelt hatte, verlassen musste.

 

Zuvor waren bereits Ausstellungen verboten, Bilder scharf kritisiert, der Künstler immer wieder gegängelt worden. Die Enttäuschungen wurden mit Alkohol heruntergespült und in endlosen Diskussionen ersäuft, wie Grimmling fast lakonisch berichtet. Ein wenig mehr Polemik, mehr Häme, eine Abrechnung mit Stasi und Künstler-Gängelung hätte manchen Leser sicher erfreut. Doch genau das hätte Scheitern bedeutet. Grimmling erzählt nicht aus der Sicht des Allwissenden, sondern versetzt sich mit kindlichem Staunen zurück in seine Kinder- und Studentenzeit, erzählt von ersten Erfolgen, vielen schönen Frauen, Mänteln, die ihn männlich machen und der Lust, sich aus Freude oder Frust zusammen mit den Künstlerfreunden zu betrinken. Die Stasi-Akten tauchen nur am Rande auf, die Leipziger Lehrer, vor allem Wolfgang Mattheuer, werden mit mildem Blick abgetan. "Heute existiert die Legende von großartiger handwerklicher Ausbildung an der Leipziger Hochschule. Wie alle, lebt auch diese Legende von Übertreibung, denn Begriffe wie Kreativität und Experiment existierten nicht mal in der Umgangssprache."

 

So viel Abgeklärtheit irritiert am Anfang des Buches ein wenig, denn allzu gern ist man bereit, noch einmal all die alten Geschichten zu lesen. Doch im Lauf der 280 Seiten begreift auch der wütendste Leser, dass die Zeit für DDR-Beschimpfungen vorbei ist. In diesem fast schnörkellosen Rückblick auf sein Leben erschafft Grimmling die vergangene, bedrückende Wirklichkeit wahrhaftiger als das jede Beschimpfung könnte.

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