Tobias Voigt / Peter Erler
Medizin hinter Gittern - Das Stasi-Haftkrankenhaus in Hohenschönhausen
Auf dem Gelände der Untersuchungshaftanstalt in der Genslerstraße befand sich bis 1990 auch das so genannte Haftkrankenhaus des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Der anfangs einstöckige Bau beherbergte ursprünglich die Wäscherei und die Garagen der benachbarten Großküche. Gegen Ende der 1940er Jahre residierte hier die Verwaltung des zentralen sowjetischen Untersuchungsgefängnisses. In den 1950er Jahren wurde das Gebäude erweitert und zu einer Krankenstation umgebaut. Bei der letzten Erweiterung entstanden 1972 am Ostteil des Gebäudes drei Hofgangzellen, in den die Häftlinge an die frische Luft geführt werden konnten. Die nach oben offenen Zellen waren mit einem Maschendraht abgedeckt und wurden im Häftlingsjargon als "Tigerkäfige" bezeichnet.
Das Haftkrankenhaus unterstand dem Zentralen Medizinischen Dienst des MfS. In ihm wurden Gefangene aus den drei Berliner Untersuchungsgefängnissen - manchmal auch aus Haftanstalten der Bezirksverwaltungen des MfS - ambulant oder stationär behandelt. Dafür standen Krankenzellen mit 28 Betten zur Verfügung. In dem Gefängniskrankenhaus waren unter anderem angeschossene Flüchtlinge, schwer erkrankte Häftlinge oder Inhaftierte, die in Hungerstreik getreten waren, in Haft. Zwischen 21. Mai 1959 und 7. Dezember 1989 wurden insgesamt 2.694 Personen in das Haftkrankenhaus eingeliefert, 377 von ihnen mehrfach. Das behandelnde Personal bestand aus Stasi-Mitarbeitern, die eng mit den anderen Abteilungen des Staatssicherheitsdienstes zusammenarbeiteten. Eine ärztliche Schweigepflicht bestand nicht. Erhalten sind die Röntgenstation, eine Leichenkammer sowie Behandlungs-, Operations- und Laborräume. Von 1978 bis 1988 war Horst Böttger als forensischer Psychiater im Haftkrankenhaus tätig. 1989 arbeiteten hier unter Leitung von Dr. Herbert Vogel 28 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter.