Barbara Stellbrink-Kesy
Unerhörte Geschichte
Frei – aber verpönt
Ein Haus in Westfalen, ein Päckchen Briefe versteckt unter dem doppelten Boden eines Schrankes, eine Krankenakte im Archiv. Diese Funde ermöglichten es, die verschlungenen Lebenslinien der Geschwister Irmgard Heiss, geb. Stellbrink (1897-1944) und Karl Friedrich Stellbrink (1892- 1943) zu erzählen. Als Kinder hätten sie gut zusammengepasst, sagt Irmgard 1926 über die Geschwisterbeziehung. Später seien ihre Neigungen und Wege auseinandergegangen. Sie gingen sogar weit auseinander, bevor sie unter dramatischen Umständen wieder zusammenfanden. Den Bruder und seine Frau Hildegard, Irmgards beste Freundin, führen sie 1921 nach Brasilien, während die Schwester „unter ihrem Stand“ einen Bergarbeiter heiratet und im Ruhrgebiet lebt. Als sich Irmgard Jahre später von ihrem Ehemann trennen und die Kinder allein durchbringen will, kreisen die Briefe der Eltern um die Frage: Ist diese Frau noch normal? Sie ist es nicht, wird verhandelt und 1933 gerät sie ins Fadenkreuz der NS-„Euthanasie“. Die Geschichte der bisher weitgehend unbekannten Irmgard Heiss/Stellbrink und ihres Bruders Karl-Friedrich, genannt Fritz, der als einer der „vier Lübecker Märtyrer“ bekannt ist, wird erzählt von deren Großnichte als eine Geschichte des Widerstandes gegen Unmenschlichkeit. Das Buch handelt auch davon, wie die Vergangenheit in die Gegenwart hineinreicht und darin ihren Ort sucht.