Das erste Maueropfer in Berlin und die Geschichte einer Familie von Jürgen Litfin
Am 27. August 1961 machte Jürgen sich auf den Weg in das
Gerichtsmedizinische Institut von Ost-Berlin.
Am Abend vorher hatten er
und seine Mutter in der „Abendschau“ mit ungläubigem
Entsetzen das Bild seines Bruders Günter gesehen.
Der Sprecher der Abendschau Harald Karras vermeldete dazu, dass
Günter Litfin am 24. August bei einem Fluchtversuch erschossen worden
wäre. Sie hatten Günter seit dem 24. August nicht mehr gesehen und waren
ohne Nachricht von ihm. Dennoch mochte Jürgen Litfi n es nicht glauben –
bis ihm eine Angestellte des Gerichtsmedizinischen Instituts den
amtlichen Totenschein übergab:
„24. Aug. 1961, 16.15 Uhr: Tod durch
fremde Hand. Hals- und Mundboden-Durchschuß, verbunden mit Ertrinken.“
Es war also wahr. Sein Bruder war bei einem Fluchtversuch im
Humboldt-Hafen in Berlin-Mitte erschossen worden – er war das erste
Opfer der elf Tage alten, noch provisorischen Mauer. Der gerade einmal
einen Tag alte Schießbefehl hatte ein erstes junges Menschenleben
gefordert. Jürgen Litfin erzählt uns die Geschichte seiner Familie,
einer Berliner Familie. Es ist der Bericht über eine ganz „normale”
Familie, die sich mühsam, aber zielstrebig einen gewissen sozialen
Aufstieg und Ansehen in ihrem Umfeld erarbeitet.