Wie bedeutsam sind die Ereignisse in der Tschechoslowakei 1968 für unser
Heute tatsächlich? Was assoziieren wir mit Prag 1968 allein die
militärische Intervention in der Nacht zum 21. August?
Für den Politologen und Osteuropa-Spezialisten Dieter Segert markiert
der Prager Frühling eine Kette von Ereignissen, die eng mit der
weltweiten Bewegung gegen abgestandene Autoritäten und mit einer
Kulturrevolution verbunden sind, die die Entstehung einer starken
Zivilgesellschaft gefördert hat.
Man kann, so ist Segert überzeugt, den Prager Frühling nicht verstehen,
ohne sich mit dem schleichenden Auflösungsprozess des sowjetischen
Sozialismus zu beschäftigen. Das geschieht anhand der biografischen
Erzählungen von Michal Reiman, dessen Biografie eng mit der russischen
Geschichte des 20. Jahrhunderts verflochten ist und die in einem Epilog
zu einem kritischen Blick auch auf das heutige Russland führt. Ein Land,
das in knapp hundert Jahren drei Mal zerstört wurde und drei Mal wieder
auferst
and. Wo steht Jelzin in dieser Geschichte? Und was ist die Rolle Putins:
Ist er der Totengräber der Demokratie oder der Retter des Staates?
Für seine kritische Auseinandersetzung mit Osteuropa wählt der Autor die
Form des Dialogs: ein Gespräch mit Michal Reiman, das auch davon
profitiert, dass Segert ebenfalls in der Region zu Hause ist, in der
sich die dramatische Geschichte Russlands, die des Kommunismus und
seiner Reformen unmittelbar entwickelt haben: Osteuropa, so Segert, ist
immer noch eine Region, die dem westlichen Beobachter so fremd und
deshalb auch manchmal romantisch erscheint, unddie doch ein Kernland
Europas ist. Der Westen ist durch vielerlei verflechtete Fäden mit
diesem Osten verbunden.