Inoffizielle Mitarbeiter aus dem Gesundheits-und Sozialwesen des Bezirkes Magdeburg

Artikel-Nr.: Forschungsheft 18
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Ulrich Mielke

Inoffizielle Mitarbeiter aus dem Gesundheits-und Sozialwesen des Bezirkes Magdeburg

Das Gesundheits-und Sozalwesen des Bezirkes Magdeburg - Aspekte seiner Überwachung durch das Ministerium dür Staatssicherheit der ehemaligen DDR

Ärzte im Dienst der Stasi - "man blickt hier in einen Abgrund tiefster Morallosigkeit!" "IM Gert Fröhlich", dessen wahrer Name bekannt ist, hat als Arzt jahrelang Kollegen für die Stasi bespitzelt.

Eine Dokumentation zeigt: Es gab zu DDR-Zeiten nicht wenige Ärzte, die den gleichen Spitzel-Job machten. Von Pete Smith Material, mit dem die Stasi zu DDR-Zeiten gearbeitet hat: Geruchsprobe in einem Einweckglas. Foto: Imago "Deshalb ist dieser Kreis auch sehr schwer aufzuklären, weil sie die Spielarten beherrschen, Vertrauen zu erwecken, so zu tun, als ob sie die Wahrheit sagen. Im gewissen Sinne sind sie alle Schauspieler", schreibt IM Gert Fröhlich über seine Kollegen, die Ärzte. Im Allgemeinen seien sie gewohnt zu lügen. "…wenn jemand Krebs hat, wird man ihm nicht sagen, er hat Krebs, man wird ihm sagen, er hat eine Leberentzündung oder irgend etwas anderes, man wird ihm das bösartige Leiden verschweigen. Auch das trainiert über Jahre hinweg im Lügen und deshalb sind sie eben auch so geschickt in der Tarnung."

Als Medizinstudent von der Stasi angeworben "IM Gert Fröhlich", dessen wahrer Name bekannt ist, mag als bestes Beispiel seiner eigenen Charakteristik gelten, hat er seine Kollegen doch jahrelang bespitzelt und seine Tätigkeit vor ihnen geheim gehalten. Der 1939 geborene Arzt wurde 1963 von der Stasi angeworben, damals noch Medizinstudent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1968 durchlief er ein halbes Jahr lang eine Ausbildung als Spion der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), für die er im sozialistischen Ausland eingesetzt werden sollte.

Doch nach Einschätzung dieser Diensteinheit eignete sich der IM nicht für einen Auslandseinsatz, was man ihm allerdings nicht mitteilte. 1968 begann er seine Facharztausbildung als Chirurg am Kreiskrankenhaus Werningerode. Von 1973 bis 1979 war er Oberarzt, dann Chefarzt der Klinik für Chirurgie des Bezirkskrankenhauses Karl-Marx-Stadt. Bis 1989 diente er dem Ministerium für Staatssicherheit. "IM Gert Fröhlich" entwickelte sich "zu einem IM, wie es sich das MfS nur wünschen konnte", schreibt Dr. Ulrich Mielke im 14. Forschungsheft über Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit im Gesundheits- und Sozialwesen des Bezirkes Magdeburg, das kürzlich erschienen ist. "Er hat während seiner gesamten IM-Zeit zu etwa 187 Personen berichtet. Der IM erhielt ständig Prämierungen und Auszeichnungen." Aber auch Geld bekam der Arzt für die Bespitzelung seiner Kollegen und Patienten, allein 1973 und 1974 insgesamt 4000 Mark, die er für die Neueinrichtung seiner Wohnung nutzte. IM Fröhlich erhielt ständig Auszeichnungen - und Geld. Seine Spitzeltätigkeit führte "IM Gert Fröhlich" so gewissenhaft aus, dass er dafür auch seine ärztliche Schweigepflicht brach. Darüber hinaus gab der Arzt Gespräche mit Verwandten weiter. "In dem Zusammenhang ist eine Äußerung von Frau (…) mir gegenüber interessant, wo sie sagte, sie hätte den Eindruck, die DDR würde Ärzte gegen Devisen verkaufen", schrieb "IM Fröhlich" etwa am 22. Juli 1973. "Ich habe das energisch als Spinnerei zurückgewiesen."

Der Chirurg aus Werningerode war sicher einer der eifrigsten und skrupellosesten Stasi-Spitzel im Gesundheitswesen des Bezirks Magdeburg, der einzige war er nicht. In ihrer 14. Dokumentation listen die Autoren vom Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt insgesamt 36 IM auf. Von "IM Gaertner", einem 1975 angeworbenen Facharzt für Allgemeinmedizin, sind etwa 170 Treffen mit dem MfS dokumentiert, der letzte Treffbericht datiert vom 19. Oktober 1989. Ausstieg war durchaus möglich "IM Gaertner" war von 1980 bis zum Ende der DDR Ärztlicher Direktor der Poliklinik Mitte in Magdeburg.

Der Fall des "IM Jörg Göranson" (auch "IM Gey"), ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, belegt, dass man die Zusammenarbeit mit der Stasi trotz seiner Verpflichtungserklärung durchaus wieder aufgeben konnte.

Der Kreissportarzt spitzelte zwischen 1976 und 1979, teilte dem MfS dann aber mit, dass ihn die inoffizielle Zusammenarbeit physisch zu stark belaste und auch seine Ehe wie sein berufliches Fortkommen erschwere. "Die Recherchen kann man als unnachgiebig präzise bezeichnen", schreibt Ulrich Mielke in seinen Schlussbemerkungen. Von fast allen vorgestellten IM lägen die Verpflichtungserklärungen vor. Mielkes Kommentar zu "IM Gert Fröhlich", dessen Spitzeltätigkeit man "nur schweigend und fassungslos" zur Kenntnis nehmen könne, kann man stellvertretend für viele andere lesen: "Man blickt hier meines Erachtens in einen Abgrund tiefster Morallosigkeit."

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