Die
letzte offizielle 1. Maidemonstration, im Frühjahr vor der
Herbstrevolution 1989, erscheint heute harmlos - sie war eine friedliche
Demonstration.
Militär, Polizei, Betriebe, Schulen und Sportvereine
hatten ihre Leute verpflichtet, auf die Straße zu gehen, und sie trugen
gelangweilt die Transparente von Marx, Lenin, Freundschaft und Frieden.
Die Staatsmacht zeigte sich in bunten Uniformen - in Ausgehuniform,
nicht im Kampfanzug. Der Umzug bot ein Bild der Lächerlichkeit und jeder
wußte es. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, daß die Herrschaft der
alten Männer bereits ein halbes Jahr später am Ende sein würde. Man lief
unter blühenden Bäumen entlang, aß Zuckerwatte, trug Luftballons. So
manches Plakat landete im Papierkorb, die Fahnen wurden hinter der
Tribüne ins Gras geworfen. Die Bilder dieses Fotobändchens gehören zu
den Hinterlassenschaften im Abrißhausatelier eines geflohenen,
unbekannten Fotografen. Jetzt erst offenbaren sie ihre Augenzeugenschaft: als Vignette einer verflossenen Zeit.