Alexanderplatz: Fotografische und literarische Erinnerungen von Harald Hauswald- Freya Klier - Katja Lange-Müller - Jutta Voigt - Christan Bahr - Horst Bosetzky - Thomas Brussig - Markus Deggerich - Christoph Dieckmann - Jan Eik - Uwe Kolbe - Alexander Osang Lutz Rathenow - Lars von Törne und Perter Wensierski
Wäre der windgepeitschte, betonfarbene Alexanderplatz ein Seismograph
unserer Geschichten á la der Himmel über Berlin, dann könnten wir,
mitten auf seinem zersausten und allzeit irgendwo vergatterten Rücken
stehend, ein junges Mädchen mit hochroten Wangen aus dem Centrum
Warenhaus schleichen sehen. Es ist Katja-Lange Müller, die im Dezember
1969 nach dem käuflichen Erwerb roter (Weihnachts-) Baumkerzen eine
gehäkelte Stola stehlen mochte und ertappt wurde, es ist der kleine
Junge Jan Eick, im U-Bahn Tunnel tief unter dem Platz, der mit seiner
Mutter harrt, dass keine Bomben mehr fallen. Es ist der freiwillige
Helfer der Volkspolizei.
Thomas Brussig, dem peinlich ist, dass sein lehrmeistersternder ABV
ein junges Mädchen von der Küste um die Ausweispapiere angeht.
Alexanderplatz: Fotografische und literarische Erinnerungen von
Harald Hauswald- Freya Klier - Katja Lange-Müller - Jutta Voigt -
Christan Bahr - Horst Bosetzky - Thomas Brussig - Markus Deggerich -
Christoph Dieckmann - Jan Eik - Uwe Kolbe - Alexander Osang Lutz
Rathenow - Lars von Törne und Perter Wensierski
Erzählende Essays - essayistische Erzählungen: über den Stoff des Lebens und Schreibens.
Ob Uwe Kolbe mit Hölderlin von Bad Homburg nach Frankfurt wandert,
ob er Vater und Sohn ein Bratkartoffelgericht zubereiten lässt, in
Rheinsberg oder Arkadien unterwegs ist - immer spürt er mit großer
Intensität dem geschichtlichen Prozess und der eigenen Identität nach.
Beobachtung und Abstraktion, Erzählung und Essay, Nachdenkliches, Poetisches und Polemisches finden zusammen.
Was ist der Stoff des Lebens? Wo haben die Erfahrungen,
Kontinuitäten und Brüche ihren Grund? Wo verstellen (Selbst-)Täuschungen
die klare Sicht auf die Wirklichkeit?
Dem Autor sind die Utopien fragwürdig geworden, die einmal auch die
eigenen waren. Lange vor 89 verließ er den sich sozialistisch nennenden
deutschen Staat; den Mauerfall erlebte er in Texas am Fernseher.
Enttäuschungen positiv zu begreifen, ihnen Produktivität abzugewinnen,
das ist seit langem sein Credo. Dass Schriftsteller wie Fühmann, Hilbig,
Christa Wolf und Robert Walser, bildende Künstler wie Hans Scheib und
Annette Schröter für ihn immer wieder Identifikations- und Anstoß- oder
Abstoßpunkte sind, verwundert wenig. Im Nachdenken über sie thematisiert
Kolbe auch das Eigene, stellt sich den großen Fragen, nach Glück,
Scheitern, Tod und deren Widerschein im Poetischen.
1957 geboren in Berlin; erste Veröffentlichung von Gedichten in der
Zeitschrift "Sinn und Form" 1976; erster Gedichtband 1980 im
Aufbau-Verlag; seitdem Arbeit als freier Autor; 1987 Ausreise in die
Bundesrepublik; 1989 Visiting Writers an der Universität von Texas in
Austin; 1992 Stipendiat Villa Massimo, Rom; einige Literaturpreise,
zuletzt Friedrich-Hölderlin-Preis Tübingen 1993 und Preis der
Literaturhäuser 2006; 1997-2004 Leiter des Studios Literatur und Theater
der Universität Tübingen; lebt als freier Schriftsteller in
Berlin-Charlottenburg.