Die
Fotografin Waltraud Grubitzsch war Jahrzehnte in der zweitgrößten Stadt
der DDR unterwegs und schuf eine Fotochronik, die heute wie morgen
Auskunft über das Leben in der einstigen sozialistischen
Handelsmetropole geben wird.
Es ist das Bild des Aufbaus einer vom Krieg
zerstörten Stadt. Das Alte Rathaus, der Hauptbahnhof, das Ringmessehaus
und die Kongresshalle werden wieder aufgebaut, das Schauspielhaus und
die Oper neu errichtet. Universitätskomplexe und Messehäuser entstehen.
Leipzig gilt als Ort des Ost-West-Handels, als Schaufenster zur Welt.
Die Einwohner profitieren so von einer gewissen Weltoffenheit, die durch
wissenschaftliche Kongresse, die Internationale Dokumentar- und
Kurzfilmwoche oder Bach-Wettbewerbe und -Feste den eisernen Vorhang
durchlässig macht. Künstler wie Werner Tübke, Bernhard Heisig oder
Wolfgang Mattheuer wirken in Leipzig. Der Thomanerchor und das
Gewandhausorchester nebst Gewandhauskapellmeister Kurt Masur genießen
Weltruf. Star-Gäste wie Anne-Sophie Mutter, Yehudi Menuhin, die
Dirigenten Herbert von Karajan oder Leonard Bernstein zieht es in das
sächsische Musik-, Buch- und Verlagszentrum. Zwei Themen fühlt sich die
Frau mit der Kamera besonders verpflichtet, den arbeitenden Frauen und
den Kindern in Kindergärten, Schulen und beim Spiel. Ihre einfühlsamen
Arbeiterinnen-Porträts erinnern heute an nicht mehr vorhandene Betriebe
und an selbstbewusste Werktätige aus dem Schwermaschinen-,
Landmaschinen- und Chemieanlagenbau, der Polygrafischen, Textil- und
Bekleidungsindustrie.
Als im Herbst 1989 Hunderttausende für Gedanken-
und Reisefreiheit und eine saubere Umwelt demonstrieren, ist Waltraud
Grubitzsch mit ihrer Kamera vor Ort. Mit einmaligen Aufnahmen erinnert
sie an die se Zeit, die als friedliche Revolution in die Geschichte
eingeht, berichtet sie über Menschen und Ereignisse vor der
Nikolaikirche und auf dem Leipziger Ring. Rolf Richter ' Autor des
Vorwortes ' erklärt: "Mit Waltraud Grubitzsch spüren wir nochmals
Ereignisse auf, die in der traditionsreichen Messestadt geschahen und
die für viele Einwohner und Besucher prägend sind. Wir treffen Menschen
wieder, die an unserer Seite waren, die beglückt oder frustriert, voller
Euphorie oder Missmut in die Welt schauen. Alle sind älter geworden
oder manche leben nicht mehr. Andere sind fortgegangen. Die meisten
Betriebe sind verschwunden. Die Gebäude wurden zu Lofts oder sind
abgerissen. Hoch- und Fachschulen wurden abgewickelt oder fusionierten.