Kuba. von Bert Hoffmann

Artikel-Nr.: 9783406447877
14,95

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Kuba – auf den Boden geholt Zweieinhalb neue Bücher über Geschichte und Gegenwart In einer Zeit, da der Kuba-Boom weiterhin seine Blüten treibt und sich vornehmlich in den Bereichen Massentourismus und Begeisterung für traditionelle Musikstile manifestiert, ist es nur allzu berechtigt, dass auch Politik und Geschichte dieser ungewöhnlichen Inselrepublik wieder ihren gebührenden Platz bekommen. Gleich drei neue Bücher, zwei davon vom selben Autor, sind in kurzer Folge hintereinander erschienen und vermögen in unterschiedlicher Weise eine Lücke zu schliessen, die bezüglich auf den aktuellsten Stand gebrachter politischer Literatur zu Kuba existierte. In den Bereichen Tourismus und Musiktradition dagegen ist der Überblick allein bei neueren deutschsprachigen Büchern kaum mehr möglich. Das Bild, welches Titel wie «Gebrauchsanweisung für Kuba» oder «Magisches Kuba» vermitteln, ist meist dasjenige eines in leuchtenden Farben erstrahlenden und spannend zu durchwandernden Freilichtmuseums: Die Zeit ist stehengeblieben, und fröhlich musizierende und tanzende Menschen haben sich unter dieser Zeitglocke in pittoresker Armut eingerichtet. Mehrfacher politischer Ausnahmefall «Nicht der grundsätzlichen Änderung des Kubabildes in Westeuropa, wohl aber seiner Entpolitisierung» wolle er entgegensteuern, schreibt Michael Zeuske an einer Stelle seines Buches «Insel der Extreme – Kuba im 20. Jahrhundert». Der 1952 geborene Autor ist Professor für iberische und lateinamerikanische Geschichte mit Spezialgebiet Kolonial- und Sklavereigeschichte an der Universität Köln. Er stammt aus der damaligen DDR, war schon zu jenen Zeiten Professor – an der Universität Leipzig – und stellt insofern eine Ausnahme dar, als er es geschafft hat, in der neuen Bundesrepublik seine akademische Karriere fortzusetzen. Nun legt er im deutschsprachigen Raum das erste Buch vor, das die Geschichte Kubas im gesamten Zeitrahmen des 20. Jahrhunderts darzustellen versucht. Diese hundert Jahre entsprechen nahezu exakt der Zeit, seit der Kuba als unabhängiges Land existiert. Trotzdem haben alle bisher auf Deutsch erschienenen Publikationen zu Kuba stets entweder den Gesamtüberblick seit Kolumbus oder dann das revolutionäre Kuba und damit meist die offizielle Geschichtsschreibung Kubas – in affirmativem oder verneinendem Sinne – ins Zentrum gestellt. Drei Merkmale der Geschichte dieser Insel, «die für ihre eigene Geschichte zu klein ist» (François Maspero), hebt Zeuske für diese vergangenen hundert Jahre als «extrem» hervor: Frühe Globalisierung, Amerikanisierung und Entnationalisierung in der ersten Hälfte des Jahrhunderts waren genauso beispiellos in der westlichen Welt wie dann 1960 die Hinwendung des revolutionären Kuba zum Kommunismus sowjetischer Prägung. Und als drittes extremes Element nennt Zeuske die Tatsache, dass sich Kuba als letztes Land der westlichen Hemisphäre heute noch «sozialistisch» nennt. Drei Republiken Zeuske teilt diese hundert Jahre in drei Republiken ein, in denen zwei Revolutionen stattfanden. Die erste Republik war die von 1902. Sie endet mit dem Sturz des damaligen Diktators Gerardo Machado (1933), was Zeuske die erste, jedoch unvollendete Revolution im Kuba des 20. Jahrhunderts nennt. Die Zeit von 1933 bis 1959, die mit der erfolgreichen Revolution Fidel Castros endet, nennt er die zweite Republik, während bisherige Geschichtsbetrachtungen diese beiden Perioden eigentlich immer zusammen schlicht als «die Zeit der Republik» abhandelten. Zeuskes eigenwilliger Ansatz birgt den Vorteil, dass er auf diese Weise zahlreiche Charakterisierungen und Erscheinungsformen des seit nunmehr 42 Jahren herrschenden Regimes von Fidel Castro plausibel als tief in Kultur und Mentalität der Kubaner verwurzelt darzulegen vermag. Dies ganz im Gegensatz zur Tendenz mancher heutiger Kubaner, das Regime nur noch als aus dem Nichts entstandenes oder vom Himmel gefallenes Unglück zu sehen. Zeuske vermag so einer Schwarzweissmalerei zu entgehen, wenngleich an einigen Stellen eine Tendenz zur Übernahme offiziöser Sichtweisen aufscheint. Etwa dann, wenn er bei krassen Manifestationen des totalitären Charakters des Regimes, wie der verhärteten Kulturpolitik der siebziger Jahre oder der Erschiessung des Generals Ochoa im Jahr 1989, mit Einleitungen und Windungen wie: «Folgt man der Darstellung von Literaten und Künstlern . . .» oder: «Im Volksmund freilich hiess es . . .» der Kritik die Spitze zu brechen versucht. Trotzdem macht sich Zeuske bezüglich der Gegenwart keinerlei Illusionen: Seine Bestandesaufnahme ist hier nüchtern und vorurteilsfrei, wenn er etwa die äusserst prekären Zustände in den Landschulen oder die Mangelsituation im Gesundheitswesen beschreibt. Er wehrt sich allerdings gegen apokalyptische Szenarien für die Zeit nach Fidel Castro, wie sie bisweilen in kubanischen Exilkreisen kursieren, und betont die Lebensfreude und Aktivität der Kubaner, die Derartiges zu verhindern vermöchten. Man kann nur auf die Richtigkeit dieser Prognose hoffen. Historischer Überblick Bei einem kurz vor «Insel der Extreme» erschienenen Buch von Michael Zeuske, «Kleine Geschichte Kubas», behauptet der Klappentext, der historische Streifzug münde in die Frage: Wie wird es nach Fidel Castro mit Kuba weitergehen? Der Band umfasst die ganze Geschichte Kubas von der präkolumbianischen Zeit bis zur Gegenwart. Einige Kapitel von «Insel der Extreme» sind hier in geraffter Form (60 statt 180 Seiten) vorhanden, allerdings ohne die explizite Ausformulierung seiner These. Interessant sind besonders die Kapitel über die Sklaverei. Sonst aber bietet für das Verständnis der kubanischen Gegenwart «Insel der Extreme» mit seinen umfassenderen Kapiteln über das revolutionäre Kuba mehr. Und die im Klappentext angesprochene Frage wird gar nie explizit gestellt, geschweige denn beantwortet, was wohl auch nie die Absicht von Michael Zeuske war. Herzstück Kultur Im gleichen Verlag ist schliesslich noch ein ganz anders geartetes Buch zu Kuba erschienen: «Kuba» des an der FU Berlin lehrenden Politologen Bert Hoffmann (vgl. NZZ vom 25./ 26. 11. 00). Der 1966 geborene Autor ist durch zahlreiche Zeitungsartikel und Reportagen zu Kuba in der «Zeit», der «Tages-Zeitung» und hierzulande auch in der «Wochen-Zeitung» bekannt geworden. Im Gegensatz zu den beiden Büchern von Michael Zeuske ist «Kuba» mit keinerlei wissenschaftlichem Ballast versehen, vielmehr ein spannend zu lesender und mit einigen originellen Fotos illustrierter Überblick über verschiedene Bereiche der kubanischen Gegenwart mit einem eher kurzen historischen Teil. Das Herausragendste sind allerdings die zahlreichen in den Text eingestreuten Dokumente (Liedtexte, Gedichte, Buchauszüge, Fragmente aus Reden usw.) und ein nützlicher, knapper Anhang, in dem auch eine Seite «Kuba im Internet» nicht fehlt. Breiten Raum, rund ein Drittel, nimmt ein äusserst informatives Kapitel über die kubanische Kultur ein, das so auch die Dimensionen eines «Buena Vista Social Club» zurechtrückt und den ungeheuren kulturellen Reichtum Kubas angemessen zum Ausdruck bringt. Den zentralen Stellenwert der Kultur betont auch Michael Zeuske, wenn er am Ende seiner beiden Bücher Fernando Ortíz zitiert: «In Kuba, mehr als bei andern Völkern, bedeutet die Verteidigung der Kultur die Rettung der Freiheit.» Geri Krebs Neue Zürcher Zeitung, 25.11. 2000 Eine Annäherung an Kuba «Kuba ist kein kommunistisches, sondern ein kompliziertes Land»: Dieses Zitat des kubanischen Liedermachers Pedro Luis Ferrer hat der Berliner Politologe Bert Hoffmann seinem Kuba-Buch vorangestellt. Dem damit einhergehenden Anspruch, sich der Wirklichkeit auf der Zuckerinsel fern aller Klischees anzunähern, wird der Autor in erfrischender Weise gerecht. Der fundierte historische Überblick ist aufgelockert mit Zitaten und Porträts - etwa dem des kubanischen Nationalhelden José Martí oder dem Werdegang des líder máximo, Fidel Castro. Und auch im wirtschaftlichen Teil wird der Leser nicht mit Zahlen und Fakten überstrapaziert, sondern erhält Einblick in die widersprüchlichen Welten von Peso und Dollar. Die Auswirkungen der Dollarisierung, so zum Beispiel die Prostitution, werden genauso thematisiert wie die Tendenz zur Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsschicht, die immer häufiger als faul und diebisch dargestellt wird. Besonders interessant sind auch die Kapitel über die kubanische Kultur. Das latent gespannte Verhältnis zwischen Kunst und Staatsgewalt schildert Hoffmann anhand zahlreicher Beispiele aus Literatur, Malerei, Musik oder Film. Mechanismen der staatlichen Kontrolle werden quasi nebenbei beleuchtet, ohne dass die Künstler und deren Werke zu kurz kommen. Ein gelungener Überblick über die Insel, an der sich die Geister scheiden. Neue Zürcher Zeitung, 25.11. 2000, S. 68
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