Hugo. Der unwerte Schatz: Erzählung einer Kindheit von Tino Hemmann

Artikel-Nr.: 9783869015002
14,00

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Nur wenige Bücher haben mich in den letzten Jahrzehnten so beeindruckt, wie diese Erzählung über eine Kindheit im Nationalsozialismus.

 

Der Autor hat zehn Jahre recherchiert und aus den Informationen über die Kindereuthanasie im Osten Deutschlands eine fiktive Biografie über Hugo Hassel geschrieben.

Hugos Vater prügelt exzessiv. Seine Mutter lässt das Kind in entscheidenden Momenten im Stich - familiäre Solidarität ist ein Fremdwort für sie. Mit konsequentem Erzählduktus wird die Verlassenheit dieses Kindes herausgearbeitet. Die beiden älteren Schwestern des Jungen blasen ins Horn der Mehrheitsfraktion der Familie. Hugo Hassel ist ein verlassenes Kind - allein in dieser Welt, in der es auf kurze oder lange Sicht keinerlei Vertrauen in ihn und seine Fähigkeiten gibt.

Der Makel, nicht ganz richtig im Kopf zu sein - vermutlich die Folge der Prügel des Vaters - haftet dem Kind zusätzlich an. Hugo verhält sich in alltäglichen Situationen, als hätte er einen Zwillingsbruder neben sich - den er vor der Geburt schon verloren hat. Daraus entsehen zwar witzige Szenen, aber es ist nicht das Zeugnis für einen Knaben, wie ihn die braunen Schergen gerne haben möchten. Trotz der Fürsprache verschiedener Menschen, die dem Kind im Verlauf seines kurzen Lebens begegnen, gerät der intelligente Knabe immer mehr in die Maschinerie der faschistischen Kindervernichtung. Den ostdeutschen Lesern werden die Orte vertraut sein, die man mit der Euthanasie in Verbindung bringt.

 

Das Konzept des Autors und die erzählerische Realisierung sind ergreifend. Die dokumentarische Linie wird in diesen Erzählfluss sehr geschickt eingewoben: Man erfährt an verschiedenen Stationen der Biografie konkrete Details der Kriegsverbrechen Hitlers und seiner Feldzüge gegen die europäischen Nachbarn ebenso wie die Einzelheiten zu sportlichen Ereignissen in Deutschland. Der Leser kann gut nachvollziehen, auf welchem geschichtlichen Hintergrund Hugo gerade leidet. Das Ende ist bedrückend. Das schuldet der Autor der Wahrheit und der Menschlichkeit. Diese Erzählung könnte als Buch verstanden werden, das für Kinder dieser Welt geschrieben - aber an Erwachsene gerichtet wird: schließt nicht die Augen, wenn Schwache hilfebedürftige Menschen von Ideologen und Verbrechern bedrängt werden. Dem Autor ist eine Erzählung gelungen, die kein Leser jemals vergessen wird. (MARLER Zeitung, Norbert Kühne) Einfühlsam und fast mit gespenstisch dokumentarischer Präzision spult Hemmann die wenigen Lebensjahre eines hochbegabten Kindes wie von einer Filmrolle ab. Am Ende der Lektüre stellt sich der Leser die bange Frage, ob eine so schreckliche Geschichte tatsächlich der Wahrheit entsprechen könnte. In einem Land, in dem der Tod ein Meister aus Deutschland ist, scheint schier alles vorstellbar zu sein. Nur mühsam kann die Phantasie Schritt halten mit der Wirklichkeit. Der Roman vereint in sich mehrere Vorzüge. Zum einen dürfen wir eine gut geschriebene Geschichte lesen, die uns von der ersten bis zur letzten Seite in Atem hält, uns zusammen mit dem Kind leiden und hoffen läßt, die Katastrophe des Dramas möge nicht geschehen, obgleich wir alsbald schon wissen, daß sie ebenso unausweichlich wie in einer griechischen Tragödie eintreten wird. Zum anderen dürfen wir tiefe Einblicke in die Psyche eines hochbegabten und zweifellos psychisch kranken, unter günstigen Umständen indes durchaus heilbaren Kindes gewinnen sowie in das Verbrecherprofil gewissenloser Mediziner. Die wenigen, die sich gegen den Wahnsinn auflehnen, können gegen das Böse nichts ausrichten. Geschichtspessimismus und die Herrschaft des Bösen reichen sich die Hand. Herr Dr. von Rasch, ein kleiner, aber deshalb nicht minder gefährlicher, seine Chance, seiner bisher eher bescheidenen wissenschaftlichen Karriere einen wirksamen Schub zu verleihen, wenn es ihm gelänge, Hugo Hassels Gehirn labortechnisch zu untersuchen. Daß der psychisch gestörte Junge, der angesichts einer Kindheit, zu der brutale Mißhandlungen der Eltern zum Alltag gehören, eine zweite Persönlichkeit entwickelt, nicht geisteskrank ist, weiß der Doktor natürlich. Doch ebenso wie Graf Dracula das Blut von Jungfrauen braucht, um weiter existieren zu können, so kann und will der Doktor nicht mehr ohne das Gehirn Hugo Hassels leben. Daß Hugo mit seinem alter ego Fritz intensive Gespräche führt, ist natürlich nur als Hilferuf und Überlebensstrategie einer geschundenen Seele zu begreifen, nicht aber als organische Erkrankung. Die gepriesenen alten Griechen sollen ihre als Mißgeburten eingestuften Säuglinge von einem Felsen ins Meer geworfen haben. Platon propagiert in seiner Staatsidee Politeia sowohl die aktive als auch die passive Euthanasie. In der jüngeren Stoa wird Euthanasie stets dann gefordert, wenn physische und psychische Leiden vernunftgemäßes Bewußtsein und naturgemäßes sittliches Handeln bedrohen oder nicht mehr ermöglichen. Auch wenn die Kriege immer unmenschlicher werden, zeichnet sich die Neuzeit zum Glück doch durch ein Menschenbild aus, das jedem menschlichen Wesen die Unantastbarkeit seiner Würde garantiert. Aber selbst wenn sich einer der altgriechischen Auffassung theoretisch nicht verschließen sollte, dürfen wir uns dem Begriff vom unwerten Leben dennoch nicht unterordnen. Zu oft schon hat sich zufällig herausgestellt, daß ein Kind, wegen Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten in eine Hilfsschule abgeschoben, in Wirklichkeit den Hochbegabten zuzurechnen war. Hugo Hassels Gastod wird im Roman durch das angedeutete Schicksal seines väterlichen Freundes, eines jüdischen Krämers, bereits vorweggenommen. Spätestens dann, als der Kaufmann, der Hugo lange Zeit die einzige Zufluchtstätte vor physischen und psychischen Mißhandlungen geboten hat, abgeholt und offensichtlich in ein Vernichtungslager verbracht wird, weiß der Leser, was Hugo und Fritz Hassel widerfahren wird. Tino Hemmann gelingt mit seinem Roman ein beeindruckendes Gemälde des Naziterrors, das neben Imre Kertész Roman eines Schicksallosen zur Pflichtlektüre an den Schulen gehören sollte. (Hans-Henning Paetzke) (Neue Zeitung Budapest, 14. März 2008) Kurzbeschreibung Hugo Hassel ist der nette, kleine Junge von nebenan. Hemmann beschreibt das Leipziger Kind und dessen Psyche bis ins Detail. Allmählich erst begreift der Leser, in welcher Gefahr der Junge ist. Hugo, von seinem Vater brutal misshandelt, lässt Fritz entstehen, ein Ebenbild des aufgeweckten Jungen. Fritz ist lange Zeit der einzige Vertraute. Es fällt auf, dass Hugo äußerst intelligent ist, ebenso bemerkt ein Arzt bei Hugos Einschulungsuntersuchung die zweite Persönlichkeit. Der Junge wird fortan von Professoren der Kinderpsychiatrie beobachtet. Zeitgleich rüstet sich die Regierung im Deutschen Reich für den größten Krieg seit Menschengedenken und parallel dazu für die Ausrottung unwerten Lebens. Hitlers Kindereuthanasie kommt in Gang. Unzählige Kinder sterben in Kinderfachabteilungen, aber auch in den Gaskammern, die von der Berliner T4-Zentrale im gesamten Reich eingerichtet werden. Ein Meldebogen entscheidet über die Behandlung der Kinder. Der Leipziger Universitätsprofessor von Rasch sieht seine Chance, mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Problematik multipler Persönlichkeitsspaltung, berühmt zu werden. Er fälscht Hugos Meldebogen und macht den Weg frei für Hugos Desinfektion in der Vernichtungsanstalt Pirna-Sonnenstein. - Dritte überarbeitete Auflage als Festeinband.

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