Sönke Neitzel dokumentiert die Lauschberichte, die von den Gesprächen
zwischen deutschen Generälen in britischer Kriegsgefangenschaft von 1942
bis 1945 im Sonderlager Trent Park angefertigt wurden. Und damit wir
nicht nur wissen, was, sondern auch von wem wir da zu "hören" bekommen,
enthält der Band im Anhang Kurzbiografien zu allen 88 belauschten
Personen.
Nicht anders als die allermeisten, auch führenden
Diplomaten des Dritten Reichs, hat sich die ganz überwiegende Mehrheit
der Wehrmachtgeneralität nach dem Zweiten Weltkrieg der kritischen
Analyse ihrer womöglichen Mittäterschaft konsequent verschlossen. Was
die deutschen Generäle vom Holocaust und den Verbrechen an der Front,
aber auch über die tatsächliche Kriegslage wirklich wussten, wie sich
vor diesem Hintergrund der interne Meinungsbildungsprozess vollzog etc.,
ließ sich aus den vereinzelt publizierten Memoiren, den Berichten, die
sich die historische Kommission der US-Armee von den hohen Offizieren
über ihre Frontbeobachtungen hat anfertigen lassen oder den zur
Verfügung stehenden Militärakten, nicht valide bilanzieren. "Interne
Diskussionen über Anordnungen von 'oben', über politische Überzeugungen
oder vermeintlich militärische Notwendigkeiten bleiben dem Historiker
bei der Betrachtung amtlicher Quellen fast immer verborgen." Andere,
persönliche Quellen aber, die ein umfassenderes Bild über die interne
Kommunikation erlaubt hätten, waren bislang nicht in hinreichendem Maß
verfügbar.
Diese Lücke können die hier publizierten
Abhörprotokolle zu einem guten Teil schließen. Eine über weite Strecken
außerordentlich spannende Lektüre, die es dem Leser erlaubt, sich
zahlreiche bis heute ungeklärte Fragen über die Ehrenhaftigkeit der
deutschen Generalität im Zweiten Weltkrieg ohne Rückgriff auf
Spekulationen aus den Quellen selbst zu beantworten. -- Andreas Vierecke
-- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.
Pressestimmen
»Vielleicht ist es hart an der Grenze des Erlaubten für einen
Kritiker; ich tue es trotzdem, ich rufe laut: Leute, lest dieses Buch.«
Fritz J. Raddatz / Welt am Sonntag »Sönke Neitzel hat eine
vorbildliche Edition vorgelegt, die die Einzelaussagen der
kriegsgefangenen Offiziere mit den Quellen und Forschungen zur
Geschichte des Zweiten Weltkrieges konfrontiert ... Für eine individuell
oder gruppenbiographisch angelegte Motivanalyse liefern die Dokumente
vielfältige Ansatzpunkte zu einer differenzierten Betrachtung der
Vorstellungswelt deutscher Generäle und Stabsoffiziere, wie sie in
dieser Unmittelbarkeit der Forschung bisher nicht möglich war.«
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG »Durch das brisante Buch des Mainzer
Historikers Söhnke Neitzel erfahren wir, dass die Briten auch über das
Innenleben der deutschen Wehrmacht bestens informiert waren, weit besser
jedenfalls, als man sich das in Deutschland damals vorzustellen
vermochte.« DIE ZEIT »Führende Offiziere der deutschen Wehrmacht waren
offenbar viel früher und präziser über den Holocaust informiert als
bislang angenommen - ohne dass sie je öffentlich gegen die
Judenvernichtung protestiert hätten. Dies enthüllt der Mainzer
Historiker Sönke Neitzel, 37, der erstmals in Gänze eine besondere
Quelle erschließen konnte: die Abhörprotokolle von Hitler-Generälen in
britischer Gefangenschaft.« DER SPIEGEL »Die Abhörprotokolle, die in
den National Archives in London verwahrt werden, sind bereits 1996
freigegeben worden. Doch wurden sie bislang von der historischen
Forschung kaum genutzt. Nun hat der Mainzer Historiker Sönke Neitzel das
viele tausend Blätter umfassende Material in Auszügen veröffentlicht.
Hervorzuheben ist die editorische Sorgfalt, mit der er dabei zu Werke
gegangen ist. Er konfrontiert die Aussagen der Gefangenen mit den
Ergebnissen der Forschung und korrigiert sie, wenn notwendig. Neben
einer ausführlichen Einleitung und einem umfangreichen Anmerkungsteil
enthält der Band Kurzbiografien aller ranghohen Offiziere, die in den
Protokollen zu Wort kommen.« Volker Ullrich, DEUTSCHLANDFUNK
»Neitzels sorgfältig kommentierte und eingeleitete Edition macht
deutlich, in welch hohem Maße die militärische Elite über die
katastrophale Kriegslage und die vor allem an der Ostfront begangenen
Kriegsverbrechen im Bilde war.« Alfelder Zeitung