Ökonomik des Terrors: Zur Organisationsgeschichte des Gulag 1939 bis 1960

Die GULAG-Forschung hat sich bisher nur einzelnen Aspekten der sowjetischen „Besserungsarbeitslager" gewidmet. Sie basierte nach wie vor auf eingeschränktem Archivzugang.

Im Anschluß an die Studien über das Karagandinsker Lager (Karlag) legt Hedeler eine vergleichende Studie vor, die eine organisationsgeschichtliche Untersuchung der Herausbildung und Entwicklung der Administration des Karlag und des Siblag zum Inhalt hat. Alle Abteilungen und Unterabteilungen der Administration eines Besserungsarbeitslagers waren dem Lagerkommandanten unterstellt. Sie spiegelten die Doppelfunktion sowjetischer Besserungsarbeitslager als Wirtschaftsstandort und Haftort wider.

Eine Ausnahme bildeten die Politabteilung, die 3. Abteilung. Was ihre operative Arbeit betrifft, so unterstanden deren Leiter direkt der Moskauer Hauptverwaltung Lager des NKVD der UdSSR. Der Kommandant hatte nicht das Recht, diesen Abteilungen ihre Arbeitsinhalte vorzuschreiben. Über den Apparat der Ende 1937 geschaffenen Politabteilung erfolgte die Umsetzung der im Politbüro der KPdSU(B) und im Führungszirkel um Stalin beschlossenen Vorgaben zur Orientierung und Disziplinierung der Mitarbeiter und Zivilangestellten. Zeitweilig wurde auch die für die kulturerzieherische Arbeit unter den Häftlingen zuständige Abteilung der Politabteilung unterstellt. Durch die Politabteilung gelangten die Weisungen aus Moskau auf direktem Wege in die Parteiorganisationen der einzelnen Gulags. Der Sekretär der Parteiorganisation im Lager war - ebenso wie der Leiter der 3. Abteilung - Stellvertreter des Kommandanten.

In der Studie wird untersucht welche Direktiven aus Moskau durchgestellt wurden, welcher Personenkreis involviert war, und welche Rolle die Parteiorganisation der KPdSU(B) im Lager dabei spielte. 

Die Realisierung des von der DFG geförderten Projektes erfolgte in enger Kooperation mit dem Archiv des Karlag in Karaganda, Republik Kasachstan und mit dem Gebietsarchiv in Novosibirsk.

Über den Autor

Dr. Wladislaw Hedeler, geboren 1953, Historiker, Publizist und Übersetzer, Arbeitsschwerpunkte Geschichte der KPdSU, der Komintern und des Stalinschen Terrors.