Briefe an Ariadna Berg von Marina Zwetajewa & Siegfried Heinrichs

Artikel-Nr.: 9783928254250
Briefe an Ariadna Berg von Marina Zwetajewa & Siegfried Heinrichs
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Ihr jetziger Zustand ist natürlich. Sie stehen da mit vollen Händen, wo Sie doch lieber ohne Hände dastünden! Das kommt vor. Bei mir war es das ganze Leben so. Die Sache ist die, dass das Nehmen nicht weniger Substanz und Kraft verlangt als das Geben. Würden Sie sich – wie jedermann, wie jede Frau – mit leeren (bittenden) Händen an einen Menschen wenden, würde Ihre Leere angenommen. Nur die Götter fürchten sich nicht vor Gaben. Versuchen Sie, einem Gott zu begegnen.

Marina Zwetajewa an Ariadna Emiljewna Berg, 26.11.1938

Dies ist “der Wille zu sich selbst”, beziehungsweise der sprichwörtliche “Wille zu sich selbst” ist nur das Einverständnis mit sich selbst: einem Selbst, das man nicht ausgewählt hat und vielleicht nie ausgewählt hätte.

Marina Zwetajewa an Ariadna Emiljewna Berg, 26.11.1938

Marina Zwetajewas letztes Jahr in Paris, vor ihrer tragischen Rückkehr im Juni 1939 ins stalinistische Rußland, wäre noch rätselhafter ohne den erhellenden Briefwechsel mit Ariadna Berg. Ihr Ehemann Sergej Efron mußte 1937 fluchtartig Paris verlassen, nachdem er jahrelang für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet hatte, um sich als ehemaliger Angehöriger der "weißen" Armee die Rückkehr zu erkaufen, und in das Attentat auf den abgesprungenen GPU-Agenten Ignaz Reiß in Lausanne verwickelt war. Nach den Verhören durch die Pariser Polizei schreibt Marina Zwetajewa, die nicht in die politischen Machenschaften ihres Mannes eingeweiht war, im Brief vom 2. November 1937 über ihre "tiefste Abneigung gegen die Politik, die ich insgesamt - mit sehr seltenen Ausnahmen - für Schmutz halte".

Eher in ihrem Element war die Dichterin von Juli 1936 bis Januar 1937 in dem Briefwechsel mit ihrer "letzten Liebe" der Pariser Zeit, einem fünfzehn Jahre jüngeren lungenkranken Dichter russisch-schweizerischer Abstammung, Anatolij Steiger. Hier entfaltet sich noch einmal - in furioser Mütterlichkeit wie in weiblicher Leidenschaft - die ganze Palette ihrer poetisch-erotischen Ausdruckskraft. Am 9. August 1936 schreibt sie an Steiger: "Niemals ist jemand so mit seinem ganzen Wesen zu Ihnen gekommen wie jetzt ich. So kommt nur das Meer - mit seinem ganzen Selbst (Flut)." Die vereinnahmende, geradezu erstickende Fürsorge wie Umwerbung war dem jungen homosexuellen Dichter zuviel, er wandte sich, wie so manche vor ihm, von der bitter enttäuschten Zwetajewa ab. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, warf er sich jener russischen Bohème des Pariser Montparnasse in die Arme, für die Marina Zwetajewa nichts als Verachtung übrighatte.

 

 

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