Die Fassade. Erotische Fragmente. Oberbaum Verlag, Berlin, 2003. "Valse triste"
Die Landschaften ziehen in ihren Farbschattierungen an ihr vorbei.
Das helle Braun des Stoppelgrases, die zerstreuten Häuser, die dunklen
Zweige der Winterbäume und hier und da ein Autowrack. Die feine
Zeichnung von dürren Streifen Gras, von Sträuchern und Baumgrüppchen
durchzogen. Spuren von Traktoren in dunkler Erde, manchmal eine
glänzende Pfütze.
Ihr ist, als ob die vorüberziehenden Bilder
durch sie hindurchgingen. Hinter Glas. Nebelfetzen hängen über dem
Boden, verschleiern die Sicht.
Schatten von Bäumen. Ein Mensch geht - nur ein Schemen - durch den Dunst.
Sie ist auf dem Rückweg von dem Städtchen in Thüringen, mit seinen
Fachwerkhäusern, dem Marktplatz und der Burg, die viele Leute zu einem
Besuch anlocken. Für sie war es eine Reise in die Vergangenheit.
Eine Weile hatte sie vor dem Bahnhof gewartet. Rechts sah sie ein altes
Stadttor. Dann erschien seine gedrungene Gestalt in einem weiten
dunklen Regenmantel, das Haar flach um den breiten Kopf mit den
tiefliegenden Augen. Sie bemerkte, wie sie ihm erwartungsvoll lachend
entgegenging.
“Das Auto ist kaputt, seit ein paar Tagen", sagte er.
Er übernahm ihr Gepäck. “Die Villa Elisabeth ist voll, aber ich bringe
dich in ein Hotel hier in der Nähe. Dann muß ich zur Bank, meinen
letzten Scheck einlösen, es hat eher nicht geklappt. Und in einer Stunde
ein Gespräch mit dem Stadtrat. Anschließend noch eine Probe mit einem
Trompeter vor dem Konzert. Im letzten Moment ist jemand krank geworden.
Hat sich seine Lippe an einer Wand verletzt."
Ungläubig schaute
sie ihn an. “Was sie sich nicht alles ausdenken", erwiderte sie. Sie
betraten ein großes Hotel, und sie brachte ihr Gepäck auf ein
bescheidenes Einzelzimmer mit Ausblick auf den Platz.